Donnerstag, 8. Dezember 2016

Geburtsbericht: Kaiserschnitt mit Vollnarkose

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Dies können wohl ziemlich viele Gebärende bestätigen. Ich hatte mir ja alles so schön ausgemalt. Hebammengeleitete Geburt, ein "cosy feeling" und eine relativ schnelle, unkomplizierte Geburt.
So weit der Plan.
Leider hält sich das Leben meist nicht an unsere Pläne. Die Geburt von Quappi so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was ich mir so vorgestellt habe.


Vorwehen? Scheisse, tut das weh

Der errechnete Entbindungstermin war der 29. September, aber bereits am Donnerstag 15. September und Freitag 16. September begann ich zu "zeichnen", ein erstes Anzeichen für eine bevorstehende Geburt. Wehen nicht in Sicht. Samstag Abend/Nacht (17.9.) begannen dann die sogenannten Vorwehen. Warum die Vorwehen heissen, weiss der Teufel, sie taten schon gut weh - so wie starke Periodenschmerzen - waren aber noch einigermassen aushaltbar mit Dafalgan. Die Schmerzen kamen unregelmässig so alle 15 bis 20 Minuten, so dass ich kaum ein Auge zutun konnte. Also habe ich um 3 Uhr morgens meinen Liebsten geweckt und wir sind ins Spital gefahren.

Dort angekommen empfing uns eine ziemlich gestresste, sehr unfreundliche Hebamme, die mich eine halbe Stunde ans CTG anschloss und bei dessen Begutachtung meinte, sie wisse auch nicht, warum immer alle Schwangeren so früh kämen. Es würde unter der Geburt dann schon noch anders weh tun
... Der Muttermund war noch gar nicht verkürzt und so weit hinten, dass sie ihn nicht ertasten konnte. Dann hat die gute Frau uns um 5 Uhr morgens wieder heim geschickt und ich habe so ab 7 Uhr bis etwa 11 Uhr schlafen können.

Den ganzen Samstag 17.9. hatte ich weiterhin alle 15 bis 20 Minuten Vorwehen, abends und in der Nacht wurden die Wehen dann immer stärker und wirklich schmerzhaft. An Schlaf war nicht zu denken. Am Sonntagmorgen 18. September um 5 Uhr morgens hielt ich es nicht mehr aus und weckte meinen Liebsten der nur meinte: "Bist Du sicher? Das ist doch bestimmt wieder falscher Alarm. Das dauert bestimmt noch ein paar Tage." Ich bestand aber darauf erneut ins Spital zu fahren. Dieses Mal empfing uns eine sehr freundliche Hebamme, die mich wieder ans CTG anschloss und das Ergebnis mit den Worten kommentierte "Herzlichen Glückwunsch. Sie sind unter der Geburt." 


Unter der Geburt oder doch nicht?

Also bezogen wir den Kreissaal. Einen riesengrossen Raum mit Badewanne, Bett, Geburtsliege, Seil zum Dranhängen, Geburtsball ... Zu diesem Zeitpunkt war der Muttermund bereits 3 Zentimeter offen und ich ziemlich erledigt weil ich wegen der Wehen eine Nacht nur 5 Stunden und in der zurückliegenden Nacht gar nicht geschlafen hatte. Die folgenden Stunden passierte nicht viel, wir frühstückten und gingen spazieren, um die Wehen anzukurbeln. Ich war total erschöpft. Deshalb entschied die Hebamme gegen Mittag mir ein Opiat zu geben, damit ich Mal zwei oder drei Stunden schlafen und mich etwas erholen könne. Daraufhin lag ich mit einem Riesenflash im Kopf auf der Liege im Kreissaal, an Schlaf nicht zu denken. Sehr unangenehm. 

Am späten Nachmittag, nach zwei Stunden Pause dann die Diagnose: Geburtsstillstand und die Frage, was machen wir jetzt? Ich hatte die Wahl wieder nach Hause zu gehen und am nächsten Tag wiederzukommen, oder aber die Geburt mit einem Wehentropf weiter anzukurbeln. Da ich wusste, dass ich daheim wieder kein Auge zumachen würde, entschied ich mich für den Wehentropf, an dem ich um 20 Uhr angeschlossen wurde.


Bis die Fruchtblase platzte ...

Daraufhin leistete ich einige Stunden Wehenarbeit nur mit Hilfe von Buscopan, die die ärgsten Schmerzen ein bisschen lindern sollten. Ich gab mich ganz in die Hände der Hebamme und meiner Doula, die uns die ganze Zeit tatkräftig unterstützt und mir dabei geholfen hat während der Wehe richtig zu atmen. Das ist nämlich gar nicht so einfach, hilft aber den Schmerz durchzustehen. Sie versuchten mich zu massieren, was ich aber gar nicht vertrug, da ich so Schmerzen im Rücken hatte. Ich probierte verschiedene Positionen auf dem Bett und dem Geburtsball aus. Mehrere Stunden vergingen, mein Liebster sass die ganze Zeit auf einem Stuhl in der Nähe und sah uns drei Frauen hilflos dabei zu, wie wir uns abrackerten. Denn die Hebamme und meine Doula fieberten mit mir mit und unterstützten mich tatkräftig. Schliesslich, es muss gegen 0 bis 1 Uhr morgens gewesen sein, nach einer besonders heftigen Wehe, platzte meine Fruchtblase mit einem lauten Geräusch und entleerte sich vollständig.

Der Befund: Muttermund 9 Zentimeter offen. Ich total fertig und dann begannen auch noch die Herztöne von Quappi abzufallen, wenn ich mich bewegte. Also wurde ich angewiesen mich auf die linke Seite zu legen, wo ich weiterhin die heftigen Wehen veratmete. Eine Ärztin wurde gerufen. Sie untersuchte mich, man diskutierte und empfahl mir schliesslich gegen 1:30 Uhr eine PDA, da ich total kaputt und das Kind gestresst sei. Die Hebamme wollte versuchen, mich langsam hin und her zu wiegen und Quappi so ins Becken zu schaukeln, dort war er nämlich noch nicht von selber hineingerutscht. Wir stimmten zu, da ich fix und alle war. 


PDA, Spinalanästhesie und was noch?

Also betrat ein Team von zwei Anästhesisten mit Schläuchen und allerlei Gerätschaften den Raum. Ich musste ein Formular unterzeichnen und weiterhin ruhig auf der linken Seite liegen, wegen der schlechten Herztöne des Babys. Die Anästhesisten waren jung und schienen schlecht organisiert, darüber hinaus war eine noch ziemlich schnippisch. Dass mein Grossvater als Bluter gestorben ist, schien die jungen Ärzte nervös zu machen, sie sagten, sie hätten nur einen Versuch. Also legten sie die PDA, was ziemlich schmerzhaft war, zumal ich gerade eine ziemlich heftige Wehe hatte, als die junge Ärztin stechen wollte.
Danach fragten sie mich, ob sich ein Instrument an unterschiedlichen Körperstellen unterschiedlich kalt auf meiner Haut anfühle. Ich war ziemlich beduselt von der PDA und konnte kaum einen Unterschied feststellen, auch hatte ich im Bauch und in den Beinen weiterhin Gefühl. Fazit: Die Anästhesie hatte die PDA nicht richtig gelegt, traute sich aber auch nicht einen zweiten Versuch zu machen.

Nun kamen zur Hebamme, zur Doula und zum Anästhesieteam noch eine Assistenz- und die Oberärztin und man beratschlagte was zu tun sei. Ich lag weiterhin beduselt auf der linken Seite und veratmete Wehen. Plötzlich kam mein Liebster und sagte, dass die Oberärztin einen Kaiserschnitt empfehle. 

Anscheinend hatte es auf dem Gang Diskussionen zwischen der Hebamme und der Oberärztin gegeben, was ich in meinem desolaten Zustand gar nicht mitbekommen hatte. Die Doula und die Hebamme versuchten mir den Kaiserschnitt auszureden, mein Freund riet mir dazu. Da man nicht wusste, wie lange die Austreibungs- und Pressphase dauern würden (man rechnete mit 6 bis 8 Stunden), und ich mit den Kräften total am Ende war, stimmte ich einem Kaiserschnitt zu.

Kaiserschnitt mit Vollnarkose

Zuerst musste ich nun wiederum ein Formular unterschreiben, dann wurde es auf einmal hektisch. Verkabelt wie ich dank CTG und PDA war, sollte ich mich auf eine andere Liege hieven, was mit dem dicken Bauch und dem benebelten Kopf gar nicht so einfach war. Dann schob man mich in den OP, wo ich wiederum auf eine andere Liege klettern musste. Die Stimmung war angespannt und hektisch. Eine Frau begann mich zu rasieren, eine andere spritzte mir eine Spinalanästhesie in das PDA-Röhrchen, was nach wie vor in meinem Rücken steckte. Und ich musste - wie übrigens bereits in der Schwangerschaft und verstärkt auch unter der Geburt - immer wieder so heftig aufstossen, dass ich kaum Luft bekam. Und nun sollte ich flach ausgestreckt liegen, was ich während der gesamten Geburt vermieden hatte. Da bekam ich kurz Panik, dass ich keine Luft bekäme, weil der geblähte Bauch die Atmung blockierte.

2 Uhr morgens: Das OP-Team zeigte sich unerbittlich, obwohl ich bettelte den Kopf höher legen zu dürfen, damit ich besser Luft bekäme. Ich musste aber weiterhin flach ausgestreckt liegen. Dann kam die junge Anästhesistin wieder mit Ihrer Frage: Spüren Sie hier und hier einen Temperaturunterschied? 

Vielleicht fühlte ich einen kleinen Unterschied? Oder doch nicht? Ich konnte nichts Genaues sagen, worauf mich ein Anästhesist anpflaumte, dass ich schon etwas Konkretes sagen müsse. Daraufhin sagte ich, obwohl ich ziemlich benebelt war, sie sollten doch Mal etwas anderes ausprobieren, als immer die "warm-kalt"-Frage. Ich könne nichts Genaues sagen. Dann kratzte jemand über meinen Bauch, dort wo geschnitten werden sollte. Ich spürte dies stark und sagte das auch. Dann hörte ich nur noch wie jemand sagte: Nun atmen sie ein paar Mal tief in die Maske ...

Am 19.9.2016 um 3:54 Uhr kam unser Sohn auf die Welt, ohne, dass ich es mitbekam.

Einige Stunden später, es musste so gegen 6 Uhr morgens gewesen sein, wachte ich auf. Ich lag in einem Bett und viele Personen standen um mich herum. Ich wusste zuerst nicht wo ich war, wer die ganzen Leute waren und was passiert war. Ein sehr unangenehmes Gefühl, zumal ich von der Mehrfachnarkose (PDA, Spinatanästhesie, Vollnarkose) noch ziemlich daneben war. Mein Liebster hatte ein Baby auf dem Arm, neben ihm standen die Doula, die Hebamme und die Oberärztin. Langsam versuchte ich mit meinem vernebelten Verstand herauszufinden, was passiert war. Zudem musste ich wieder heftig Aufstossen und mich Erbrechen. Wiederholt bekam ich kaum Luft. 

Dann langsam sickerte die Erinnerung in mein Bewusstsein. Mein Freund hatte unseren Sohn auf dem Arm. Unseren Sohn, dessen Geburt ich nicht mitbekommen hatte, weil man mich - ungeplanter Weise - unter Vollnarkose operiert hatte. Ich redete wohl ziemlichen Stuss, bald verabschiedeten sich alle, inklusive meinem Partner, den die ganze Nacht auch sehr geschlaucht hatte. Er müsse schlafen. Bei mir blieb die Doula, die anscheinend meinen Liebsten sehr gut betreut hatte, als er während meiner OP warten und nachher das Baby auf den Arm nehmen durfte, woraufhin alle Emotionen aus ihm herausbrachen und er Rotz und Wasser heulte, so doll, dass es ihn regelrecht durchschüttelte. Ihn hat die ganze Geburt emotional fast mehr mitgenommen als ich, weil er nur Zuschauen konnte, sich überhaupt nicht auf das Thema Geburt vorbereitet hatte und sich wohl sehr hilflos vorkam. Er sagte mir später, er habe Angst um mein Leben gehabt.


Benebeltes Bonding

Schliesslich gingen alle aus dem Zimmer und ich blieb mit der Doula und meinem Sohn allein in dem Zimmer. Sie legte ihn mir auf die Brust und ich versuchte ihn trinken zu lassen, was aber nicht auf Anhieb gelang. Ein ganz besonderer Augenblick, den ich trotz meines desolaten Zustandes auch als einen solchen wahr nahm. 

Dann erfuhr ich, dass unser Kleiner die Nabelschnur zwei Mal um den Hals gewickelt hatte, und sich wohl nach dem Platzen der Fruchtblase selber strangulierte, deshalb die schlechten Herztöne.

Morgens um 8 Uhr wurde ich schliesslich auf Station geschoben, die Doula ging nach Hause und ich dümpelte in meinem Spitalzimmer vor mich hin. Keine Ahnung, ob ich schlief, oder döste oder einfach nur wach war ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen