Samstag, 27. Juni 2020

Schlaflos und übermüdet. Das erste Jahr mit Baby

"Eltern werden, ein Paar bleiben" ... so oder ähnlich lauten Ratgeber, die aufzeigen, dass der Shift vom Paar zur Familie mit Baby herausfordernd ist. Ich weiss nicht, wie viele frischgebackene Eltern es gibt, die schon nach kurzer Zeit mit Baby entscheiden in getrennten Zimmern zu schlafen. Meine Hypothese ist, mindestens die Hälfte. Denn entweder der Mann geht arbeiten und die Frau übernimmt die "Nachtschicht" mit Baby, weil er genügend Schlaf braucht, um im Job performen zu können oder aber - und das werden wohl tatsächlich nur wenige Väter machen, schon alleine weil die Frauen durchs Stillen prädestiniert für den Job sind - der Mann übernimmt auch Mal eine "Nachtschicht" und die Frau schläft dann getrennt von Partner und Kind. Diese Praxis, die übrigens auch mein Ex und ich praktizierten, weil unser geliebtes Schreibaby, dass v.a. im ersten halben Jahr auch gerne in der Nacht aufwachte und dann 1-2 Stunden geschrien hat, sorgte dafür, dass wir beide diese herausfordernde Phase irgendwie durchgestanden haben. Dennoch waren wir beide mit unseren Kräften v.a. im ersten Lebensjahr unseres Goldschatzes immer im orangen oder sogar roten Bereich. An Beziehungsarbeit war nicht zu denken. Wir waren im Überlebensmodus, zumal Mini einige gesundheitliche Baustellen hat, die wir selbst oder die Ärzte im ersten Lebensjahr von Mini fanden und die zu diversen Arztbesuchen, Abklärungen, Physiotherapien etc. führten. Ausserdem war Mini, nach einer Influenza-Grippe, die er mit vier Monaten bewältigen musste, eigentlich die kompletten ersten beiden Lebensjahre nonstop krank. Wir brachten den Husten einfach nicht weg. War die eine Erkältung vorbei, stand schon die nächste ins Haus und unser Mini hustete wie ein starker Raucher.

Zur körperlichen Anstrengung, die die durchwachten Nächte mit sich brachten, kam für mich noch erschwerend hinzu, dass ich den Schock, den die schwere Geburt und anschliessende Wochenbettdepression mit sich brachte, erst einmal verdauen musste. Und nicht nur das Erlebnis an sich bereitete mir lange Mühe, sondern auch das schlechte Gewissen für mein Baby am Anfang Baby nicht vollständig sorgen zu können und es Nachts in der Klinik in seinen ersten 6 Lebenswochen abgegeben zu haben. Andererseits war ausreichend Schlaf der grösste Hebel, um mich aus der Depression herauszuholen. Und ich muss sagen, dass ich diese Wochenbettdepression auch recht schnell überwand, nach 6 Wochen war ich wieder so stabil, um Zuhause für Mini sorgen zu können. Allerdings nahmen wir in der ersten Zeit jede Hilfe in Anspruch, die wir kriegen konnten. So kam einige Zeit lang der Entlastungsdienst von der Spitex vorbei und half mir bei der Hausarbeit. Man muss dazu sagen, dass wir keine Verwandten in der Nähe haben, die uns Mini Mal ab und an abnehmen konnten. Da wir beide gebürtig aus Deutschland sind, waren wir ganz alleine auf uns gestellt. In Absprache mit meinem Arbeitgeber konnte ich nicht nur, wie geplant, 6 Monate daheim bleiben, sondern ich war die ersten 9 Lebensmonate mit Mini daheim.

Danach fing ich wieder an zu arbeiten, die ersten drei Monate 60%. Seit Mini ein Jahr alt ist, arbeite ich wieder 80%. Diese Arbeitstätigkeit half mir, wieder ein Stück Normalität zurückzugewinnen. Mini ging nun 3 Tage in der Woche in die KiTa (wenn er denn nicht gerade wegen Krankheit Zuhause bleiben musste) und wir gewöhnten uns so langsam an unseren neuen Alltag.

In diesem war allerdings nach wie vor kein Platz und keine Energie für die Paarbeziehung. Zumal mein Ex, emotional instabil (mit Boderline-Persönlichkeitsstörung, narzisstischen Persönlichkeitsstrukturen und ADHS) sich sehr stark auf unseren Kleinen fokussierte. Ich war nur noch ein notwendiges Übel/lästiges Beiwerk. So sagte er einmal kurz nach der Geburt zu mir: "Du musst nur Milch geben, den Rest mach ich." Natürlich kümmerte ich mich hauptsächlich um Mini, da er ja noch arbeiten musste, aber der Satz zeigt auf, welchen Stellenwert ich für ihn hatte.

Die beiderseitige Erschöpfung tat das ihre dazu, dass wir als Paar praktisch inexistent waren. Dass mein Ex ein Jahr nach der Geburt von Mini seinen Job verlor (wie schon mehrfach zuvor), 100% Zuhause sass, während ich 80% arbeitete und Mini 3 Tage in der KiTa war und dennoch die meiste Babyarbeit und grosse Teile des Haushalts (ausser Einkaufen und Kochen, dass übernahm er regelmässig, Wäsche schmiss er auch ab und an in die Maschine) an mir hängen blieben, machte das Ganze nicht besser. Zumal er ein totaler Chaot war und ist, der Aufräumen und Saubermachen hasst und eine Toleranzschwelle hinsichtliche Unordnung und Dreckigkeit hat, die die meine bei Weitem übertrifft. Eine Toilette mit Bremsspuren, ein Park an dreckigen Gläsern auf dem Boden im Schlafzimmer, Unordnung auf jedem Tisch und in jedem Regal waren an der Tagesordnung. Er liebte es "Häufchen" zu machen, seine Art von Ordnungssystem, mit dem ich nicht klarkam. Zumal ich einmal in einer Schale, in die er immer allerlei Krimskrams Schmiss, kleine weisse Maden fand, die sich dort tummelten. Wenn ich daraufhin eindringlich bat, dass er Sauberer sein müsste, hörte ich nur, dass ich mich nicht so anstellen solle und einen Putzfimmel habe. Notabene staubsaugte und putze ich aufgrund meiner Auslastung nur alle 2 Wochen! Irgendwann liess er sich  (nach unzähligen Diskussionen und Streitereien) immerhin dazu überreden, eine Putzfrau einzustellen, was wenigstens ein Mindestmass an Sauberkeit gewährleistete, ohne dass ich - neben meinem 80%-Job und Kind - mich darum kümmern musste.

Allerdings war die Paarbeziehung dahin. Zumal wir auch nichts als Familie unternahmen. Entweder ich war Arbeiten und Mini in der KiTa, oder einer von uns machte etwas mit Mini, während der Andere sich ausruhte. Natürlich hatte ich immer die Morgenschichten. Mein Ex, ein Nachtmensch mit Schlafstörungen, brachte es nie fertig, mich Mal ausschlafen zu lassen und das, obwohl er ja über ein Jahr nicht arbeiten ging. Als er sich danach entschied nur 60% zu arbeiten (was ich eigentlich gerne gemacht hätte, sobald er wieder einen Job hatte) und sich auch sonst v.a. selber optimierte, wurde ich immer unzufriedener, was sich durch Nörgeleien meinerseits bemerkbar machte. Wir stritten uns immer öfter und wer einen Borderliner kennt, der weiss, dass kaum jemand so gemein und vernichtend sein kann, wie jmd. mit dieser Persönlichkeitsstörung. Er manipulierte mich, triggerte meine grössten Ängste (u.a. du bist eine schlechte Mutter, Du konntest dich am Anfang nicht vollständig ums Baby kümmern etc) und drohte mir mit irgendwelchem Mist. Vermutlich ohne Hand und Fuss, aber er traf immer mit grösster Zielsicherheit meine wunden Punkte.

Mit der Zeit war die Paarbeziehung nicht mehr nur nicht existent, sondern sie wurde toxisch. Ich spürte schon lange, dass dies nicht gut war. Nicht für mich und auch nicht für unseren Kleinen. Ich wollte nicht, dass er in seinem späteren Leben diesen kranken Umgang zwischen Mann und Frau als normal empfinden würde. Dennoch dauerte es lange bis ich den Mut fasste, mich zu trennen.